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3. Kapitel: Schlaf gut!

Die Tal-Ente musste gar nicht lange über die Wiese watscheln, da näherte sie sich schon dem Wald.
„Oh, das Watscheln macht mir Spaß!“, dachte die Tal-Ente bei sich. „Andere Enten würden bestimmt zum Gipfel des Berges fliegen, statt zu laufen. Meine lieben Eltern wollten mir ja das Fliegen beibringen, aber…“, traurig erinnerte sich die Tal-Ente daran, dass ihre Eltern eines Tages nicht mehr zum Nest zurückgekommen waren. Ein schwarzer Rabe erzählte ihr am nächsten Tag mit krächzender Stimme, dass er gesehen hatte, wie der böse Fuchs ihren Eltern im Wald aufgelauert hatte. Die Tal-Ente war sich sicher, dass der Fuchs ihre Eltern gefressen hatte, denn sie kamen nie mehr in das Tal zurück. Seitdem war sie hier im Tal die einzige Ente, und musste sehen, wie sie zurechtkam.
Die Tal-Ente watschelte also weiter und konnte erkennen, dass sich die Blätter der Bäume schon herbstlich bunt färbten. Bald erreichte sie den Wald, denn im Watscheln war sie gut, nur fliegen konnte die Tal-Ente eben nicht. Die Hitze des Tages machte der kleinen Ente zu schaffen.
Als sie den kühlen, schattigen Wald betrat, war sie froh, nicht mehr durch die Sonne laufen zu müssen. Sie folgte einem Trampelpfad und quakte munter ein Froschlied vor sich hin. So ging sie ein Stück, bis sie auf eine Lichtung kam. Dort fand sie ein paar saftige Gräser, an denen sie zupfte. Denn das Watscheln machte die Tal-Ente wirklich hungrig. Während sie fraß, hörte sie plötzlich ein feines Stimmchen:
„Wer bist du denn?“
„Wer spricht da?“, fragte die Tal-Ente erstaunt, denn sie konnte niemanden sehen.
„Ich bin die Waldmaus. Hier unten bin ich.“, erklang das müde klingende Stimmchen aus einem Mauseloch.
„Guten Tag, Waldmaus! Ich bin die Tal-Ente. Ich komme vom tiefen, blauen See.“
„Aber warum bist du denn dann nicht am See?“, fragte die braune Waldmaus verdutzt und musste gähnen.
„Ich möchte die Berg-Ente besuchen, weil in meinem Tal sonst keine Ente wohnt, und das macht mich traurig. Ich möchte nicht mehr alleine sein. Aber sag, liebe Waldmaus, warum siehst du so schrecklich müde aus?“, fragte die Tal-Ente, die die großen Augenringe unter den Augen der Waldmaus erblickt hatte.
„Oh, sieht man das so deutlich? Na ja, ich habe das Problem, dass ich abends nicht einschlafen kann.“, sprach die Maus, und gähnte dabei.
„Das stelle ich mir furchtbar vor!“, meinte die Tal-Ente mitfühlend.
„Schlafen tut doch so gut, und es entspannt den müden Körper. Außerdem ist man ausgeschlafen viel fröhlicher und hat auch mehr Kraft!“
„Ach Tal-Ente, das weiß ich. Aber ich habe abends immer noch so viele Gedanken im Kopf, da komme ich nicht zur Ruhe. Ich kann einfach nicht einschlafen.“
„Welche Gedanken denn?“, wollte die Tal-Ente wissen.
„Na ja, hier im Wald muss man als kleines Mäuschen immer aufpassen, dass man von keinem größeres Tier gejagt wird. Die Eule oder der Fuchs zum Beispiel, die haben Mäuse wie mich zum Fressen gern…!“
„Das verstehe ich!“, antwortete die Tal-Ente nachdenklich.
Inzwischen begann es zu dämmern, der Abend brach herein und bald würde es Nacht sein.
Die Tal-Ente dachte darüber nach, was ihr selbst beim Einschlafen half. Da hatte sie eine Idee!
„Waldmaus, ich möchte dir eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, die dir vielleicht hilft, einzuschlafen. Bitte mache es dir in deinem Mauseloch bequem und schließe deine Augen.“
„Jetzt bin ich aber gespannt!“, piepste die Waldmaus, schlüpfte aber in ihr Versteck, machte es sich gemütlich und schloss die Augen.
„Du bist in deinem sicheren Versteck, also stelle dir jetzt vor, du liegst auf einem ganz weichen Moospolster.“, begann die Tal-Ente zu erzählen.
„Du riechst das Moos, und du spürst das weiche Moos unter dir. Dabei atmest du ganz tief und ganz ruhig.“
„Mmmh…“, seufzte die Waldmaus, als sie sich etwas entspannte.
„Und jetzt stell‘ dir vor, was für tolle Leckerbissen du in deinem sicheren Mauseloch lagerst.“, sprach die Tal-Ente leise weiter. „Rote, süße Beeren, knusprige Nüsse, saftige Gräser und knackige Wurzeln. So viele gute Sachen!“, zählte die Tal-Ente auf und wurde dabei immer leiser. „Stell sie dir genau vor!“
Dann sagte sie: „Höre auf deinen Atem und atme ganz ruhig weiter.“
Die Tal-Ente lauschte und stellte beruhigt fest, dass die Waldmaus kurz darauf eingeschlafen war.
Zufrieden dachte die Tal-Ente: „Wie friedlich sie nun schläft, das macht mich ganz glücklich!“
Beruhigt kroch sie in einen sicheren, hohlen Baumstamm nahe dem Mauseloch, zog das linke Bein an, steckte ihren gelben Schnabel unter ihren rechten Flügel und schlief ebenfalls ein. Es war ein langer Tag gewesen und die Tal-Ente hatte viel erlebt.

Am nächsten Morgen frühstückten die beiden gemütlich, denn die Waldmaus hatte tatsächlich ein Lager in ihrem Mauseloch, das voll war mit Beeren, Nüssen und Wurzeln. Fröhlich sagte die Waldmaus:
„Vielen Dank, liebe Tal-Ente. Du hast mir gestern Abend sehr geholfen. Ich habe tief und fest geschlafen und bin jetzt wirklich erholt. Jeden Abend vor dem Einschlafen werde ich nun an deine beruhigenden Worte denken. Beruhigende Gute-Nacht-Geschichten kannst du wirklich toll erzählen!“
„Das habe ich gerne für dich getan!“, antwortete die Tal-Ente bescheiden. „Ich habe versucht mich in dich hineinzuversetzen. Dann habe ich überlegt was mir beim Einschlafen hilft, nämlich das Gefühl in Sicherheit zu sein. Das habe ich dir dann einfach als Geschichte erzählt, mehr habe ich ja gar nicht getan.“
„Du hast mir aber wirklich geholfen! Das werde ich dir nie vergessen!“, piepste die Waldmaus dankbar.
Die beiden aßen zu Ende und die Tal-Ente machte sich wieder auf den Weg zur Berg-Ente. Dabei dachte sie:
„Ich wurde wieder gelobt! Erst vom Frosch weil ich gut gesungen habe, und jetzt von der Waldmaus, wegen meiner Geschichte. Das freut mich sehr! Ich wusste nicht, was ich alles kann!“.