Home / 8. Kapitel: Vorsichtige Weggefährten

Die Tal-Ente wanderte weiter auf dem Weg, der sie hoffentlich zur Berg-Ente führen würde. Der Weg führte über eine hügelige Wiese und nur leicht bergauf, es war also ziemlich eben. Weiter hinten sah die Tal-Ente schon, dass der Pfad wieder steiler werden würde. Es war angenehm, dass sie nicht die ganze Zeit bergauf watscheln musste. Im Schatten eines Baumes machte die Tal-Ente eine kurze Pause. Da sah sie vor sich ein Loch, so wie ein Mauseloch, nur größer.
„Ich wüsste zu gerne welches Tier da drinnen wohnt!“, dachte sie neugierig.
Sie ging zum Eingang des Lochs und sagte vorsichtig:
„Hallo? Ist da jemand?“
Kaum hatte sie angefangen zu sprechen, da hörte sie jedoch schon einen seltsamen Pfeifton, den sie noch nie zuvor gehört hatte. Der Pfiff war sehr hoch und schrill und wiederholte sich in kurzen Abständen. Es klang, als hätte das Tier in dem unterirdischen Bau Angst vor ihr.
„Entschuldige die Störung! Ich wollte niemandem Angst machen. Ich war nur neugierig, wer hier wohnt, aber es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe.“, quakte die Tal-Ente hastig in das Loch.
Sie ging ein paar Schritte zurück. Dann sah sie sich nochmals um, um zu sehen, ob nicht doch ein Tier herauskam.
Und tatsächlich, ein braun-graues Köpfchen schob sich aus dem Loch und sah sie an. Das Tier schnupperte und hielt die Pfoten dabei vor der Brust angewinkelt. Die Tal-Ente blieb ruhig stehen, denn sie wollte das Tier nicht erschrecken. Aber welches Tier war es denn? Ganz vorsichtig, mit ruhiger Stimme sagte die Tal-Ente:
„Ich habe mich gar nicht vorgestellt. Ich bin die Tal-Ente, ich wandere den Berg hinauf, weil ich dort oben die Berg-Ente besuchen möchte. Ein Tier wie dich habe ich aber noch nie gesehen. Verrätst du mir, wer du bist?“
Da streckten noch zwei weitere pelzige Tierchen neugierig ihre Köpfchen aus dem Loch und sahen die Tal-Ente aus dunklen Augen an. Gemeinsam sprachen sie:
„Wir sind Murmeltiere!“
„Murmeltiere?“, die Tal-Ente sah sie verwundert an. „Warum heißt ihr denn so? Murmelt ihr denn vor euch hin oder spielt ihr gerne mit Murmeln?“
Die Murmeltiere sahen sich an und lachten quietschend. Was diese Tal-Ente da über sie dachte war zu komisch!
„Nein, nein!“, sprach eines von ihnen, als sie sich wieder beruhigt hatten. „Unser Name stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie ‚Bergmaus‘.“, sagte es stolz.
Die Tal-Ente war begeistert. Sie kam einige Schritte näher.
„Oh, ich habe die Waldmaus im Wald kennengelernt und jetzt euch Bergmäuse, also Murmeltiere, meine ich. Das ist ja ein Zufall! Aber darf ich euch noch eine Frage stellen?“
„Welche denn?“, fragte ein anderes Murmeltier mit piepsiger Stimme.
„Ihr habt so hohe, fiepende Töne gemacht, als ich vorhin vor eurem Bau stand. Hattet ihr Angst vor mir? Denn das wollte ich wirklich nicht!“, sagte sie besorgt.
„Nein, wirklich Angst hatten wir nicht, aber wir wussten nicht, wer du bist. Deswegen haben wir die anderen Murmeltiere, die jetzt auch noch unter der Erde in unserem Bau sind, mit unseren Pfiffen vor möglicher Gefahr gewarnt.“
„Ach so. Und wie viele Murmeltiere leben denn in diesem Bau?“, wollte die Tal-Ente wissen.
„Wir sind siebzehn Murmeltiere in unserer Familie.“, antwortete das größte Murmeltier von den Dreien.
„Was, so viele? Das ist ja eine Großfamilie! Aber warum seid ihr eigentlich in eurem Versteck und nicht hier draußen, wo es so schön sonnig ist?“
„Da draußen bei dir ist es uns noch zu warm. Wir bleiben lieber in unserem Bau, bis es abends kühler wird. Dann kommen wir heraus und suchen nach Futter. Wir müssen jetzt im Herbst noch viel fressen, denn bald kommt der Winter. In dieser eisigen Jahreszeit machen wir Murmeltiere nämlich Winterschlaf.“
Da fiel der Tal-Ente auf, dass die Murmeltiere ein sehr dickes Fell hatten.
„Komm doch zu uns in die Höhle, wenn du möchtest!“, bot ihr ein Murmeltier an.
Die Tal-Ente überlegte einen Moment, dann sagte sie bedauernd:
„Das ist sehr freundlich, dass ihr mich einladet. Aber leider sollte ich bis zum Einbruch der Nacht oben am Berg bei der Berg-Ente sein, und es ist wohl schon später Nachmittag. Ich sollte wirklich weiter wandern, aber es hat mich sehr gefreut euch kennengelernt zu haben.“
„Das verstehen wir. Gute Reise und vielleicht bis bald!“, antworteten die Murmeltiere gemeinsam.
Und so watschelte die Tal-Ente weiter auf dem Weg, der über die hügelige Wiese führte.
„Diese Murmeltiere sind nett. Aber ich wusste gar nicht, dass es solche Tiere gibt. Da habe ich wieder etwas dazu gelernt.“, dacht sie und freute sich, dass sie sich auf diese Reise gemacht hatte.