Home / 5. Kapitel: Wohin?

5. Kapitel: Wohin?

Im schattigen Wald zwitscherten die Vögel ihre Lieder. Die Tal-Ente erkannte den Gesang von Amseln und tief im Wald rief ein Kuckuck. Kleine weiße Blümchen wuchsen seitlich am Trampelpfad auf dem die braungefiederte Tal-Ente watschelte. Ihre braunen Federn tarnten sie so gut auf dem Waldboden, dass die Tal-Ente fast nicht zu sehen war. Nur der gelbe Schnabel leuchtete aus ihrem Gesicht.
Die Tal-Ente kam an großen und kleinen Pilzen vorbei und spürte den steinigen Pfad unter ihren Schwimmhäuten. Auch ein Specht klopfte laut und knatternd gegen einen Baum. Hier und da fraß sie ein paar rote oder blaue Beeren und zupfte an Gräsern, denn sie war hungrig und sie wusste nicht, ob sie auf dem Berggipfel auch etwas zu Fressen finden würde.
Lange Zeit folgte die Tal-Ente dem Trampelpfad, der viele Biegungen machte. Hinter jeder Biegung sah der Wald wieder etwas anders aus. In der Ferne hörte sie den plätschernden Bach, der anscheinend oben auf dem Berg entsprang. Die dichten Bäume spendeten der Tal-Ente angenehm kühlen Schatten, so dass sie gar nicht merkte, dass außerhalb des Waldes in ihrem Tal die Sonne heiß herab schien.
Aber die Tal-Ente dachte an das Tal und den tiefen, blauen See, schließlich war dort ihr Zuhause. Es gefiel ihr zwar sehr im Wald und auch darüber die Waldmaus und das Eichhörnchen kennengelernt zu haben, freute sie sich, doch Heimweh hatte sie nun schon. Denn sie war gerade ganz alleine im Wald. Es war kein Tier in der Nähe. Sie blickte sich unsicher um, doch sie konnte niemanden sehen. Sie entdeckte nur einen Bienenstock, um den die summenden Bienen herumflogen. Die Bienen waren fleißig damit beschäftigt Blütennektar und süße Pflanzensäfte einzusammeln, um daraus Honig herzustellen. Die Tal-Ente watschelte einsam an ihnen vorbei und erinnerte sich, dass sie auch in ihrem Tal einsam gewesen war. Doch dann watschelte sie weiter auf dem Trampelpfad durch den bunten Wald in der Hoffnung, bald die Berg-Ente zu erreichen.
Allmählich wurde es heller um sie herum, die Bäume wurden weniger und die Tal-Ente erreichte eine Lichtung. Vor ihr ragte der Berg in die Höhe, an dessen Gipfel die Berg-Ente leben sollte. Etwa bis zu Hälfte des Berges führte der Wald weiter nach oben, dann sah die Tal-Ente, dass die Bäume immer weniger wurden, bis am Gipfel schließlich nur noch kantige Felsen zu sehen waren.
Sie watschelte über die Lichtung um dem Weg zu folgen, doch was war das? Der Trampelpfad vor ihr führte nicht einfach geradeaus durch den Wald und den Berg hinauf! Nein! Der Weg teilte sich! Eine Abzweigung des Trampelpfads ging nach links und die andere nach rechts. Die Tal-Ente konnte nicht sehen, wohin die Wege führten, also wusste sie nicht, welchem der beiden Wege sie nun folgen sollte.
Sie sah sich nochmals um.
„Vielleicht ist ja doch jemand in der Nähe, der mir sagen kann, wohin die Wege führen.“, dachte die Tal-Ente hoffnungsvoll.
Es raschelte im Gebüsch und ein braun-grauer Hase hoppelte so schnell von der Lichtung zurück in den Wald, dass seine langen Schlappohren nur so flogen.
„Warte bitte!“, rief sie ihm hinterher, doch er war schon außer Hörweite. Wahrscheinlich hatte er sich erschrocken, als er die Tal-Ente im Wald gesehen hatte.
Jetzt war sie wirklich alleine.
Etwas ängstlich fragte sie sich: „Was mache ich jetzt nur? Ich könnte wie der scheue Hase zurück durch den Wald in mein liebes Tal gehen. Aber das wäre wohl doch etwas feige und langweilig von mir. Wenn ich nichts Neues ausprobiere, dann kann ich auch nichts Neues erleben!“, meinte sie zu sich selbst. Also entschied sie sich schließlich doch für einen der beiden Wege.
Sie hatte so ein seltsames Bauchgefühl, dass sie dem rechten Weg weiter hinauf auf den Berg folgen sollte, um zu ihrem Ziel zu gelangen. Sie hoffte, den richtigen Weg gewählt zu haben. So ganz sicher konnte sie sich ja nicht sein, aber ihre Entscheidung fühlte sich richtig an, also ging sie weiter. Nachdem sie eine Weile dem Weg gefolgt war und den Wald hinter sich gelassen hatte, hatte sie zumindest nicht das Gefühl, auf dem falschen Pfad zu sein. Neugierig watschelte die Tal-Ente weiter bergauf und mit jedem Schritt kam sie dem Gipfel des Berges etwas näher.